Jeder Chor trifft sich gerne vor einer großen Aufführung etwas entfernt vom Heimatort, um ein Wochenende lang intensiv am Werk zu arbeiten. Manchmal ist ein Stimmbildner dabei, manchmal ein Korrepetitor, man isst und trinkt zusammen und abends kommt man sich idealerweise etwas näher.

Ich hatte für meine drei Chöre – Bachchor Würzburg (bis 2015), Bachchor Heidelberg und Cäcilienchor Frankfurt – schon früh diese Wochenenden nicht mehr zum Feinschliff an einem Oratorium oder einer Passion angesetzt, sondern um meinen ChorsängerInnen die Gelegenheit zu geben, völlig ohne Termindruck etwas für sich selbst zu erproben, etwas Neues kennenzulernen. 

Natürlich gab es Stimmbildung, man sang in kleinen Ensembles, wer wollte, bekam Dirigierunterricht oder wurde in die Mysterien von Quartsextakkord und verminderte None eingeführt. Man konnte seine Kenntnisse im Blattsingen erweitern und die Mutigen haben nach Herzenslust improvisiert. Ein großer Erfolg, mehrere Jahre lang an verschiedenen Standorten in Süddeutschland erprobt. 

Portrait von Adelheid Peper

Meine liebe Freundin Adelheid Peper war damals als Stimmbildnerin bei allen drei Chören aktiv, kannte mein neues Programm der Chorförderung, fand das toll und: sie hatte ein kleines Haus in der Toskana, nahe der schönen Stadt Siena. Schnell war die Idee geboren, dieses Programm nach Italien zu verlegen und bei dieser Gelegenheit eine ganze Woche draus zu machen – wer reist schon für ein Wochenende über den Brenner….?

1993 startete die erste Woche, die mutigen Teilnehmer der Chorakademie Siena suchten sich ein Hotel in Siena, unterrichtet wurde in manchmal mehr, manchmal weniger geeigneten Räumlichkeiten, aber: man aß und trank zusammen, und Urlaub und Singen verschmolzen zu einem wunderbaren Erlebnis. Da ich wenig Lust hatte, in dieser herrlichen Umgebung Chorproben abzuhalten, beschränkte ich mich auf abseits gelegene Unterrichtsinhalte, zum Beispiel das berühmte sensitive Singen; als Chor-Coaches hatten wir namhafte Dirigenten wie Thomas Fey, Wolfgang Seeliger, Jürgen Faßbender und nicht zuletzt Professor Georg Grün und den ehemaligen Thomaskantor Georg Christoph Biller.

Es gab dann der Abwechslung halber vier Jahre lang eine Chorakademie in Venedig im wundervollen Kloster Don Orione, dann eine Rückkehr nach Siena – aber irgendwann hatte sich für mich das Thema erledigt; ich brauchte eine Pause von der Toskana und ein Nachdenken über Alternativen. Adelheid Peper machte in Siena auf neuen Wegen weiter und behielt den schönen Namen Chorakademie Siena.

Manuela Zardo und Helmut Zwecker

Durch Zufall traf ich eine alte Bekannte aus Münchner Jugendtagen wieder: Manuela Zardo. Ich wusste, dass sie zusammen mit ihrem Mann, dem Maler Helmut Zwecker in einer traumhaften Villa über den Hügeln von Siena jedes Jahr mehrere Kurse abhielt, vom Olivenöl-Verkosten über Italienisch-Unterricht bis hin zum anspruchsvollen Aquarell-Malen. Sogar mein Vater war einmal für eine Woche dort.Ich wusste, dass sie sich einen großen Traum erfüllt und das Weingut Madonna del Latte bei Orvieto erworben hatte – deshalb hatte sie in Siena Schluss gemacht.

Porträt von Marco Castelli

Ich telefonierte mit ihr und fragte sie nach dieser berühmten Villa. Sie verschaffte mir den Kontakt zu Marco Castelli, dem Besitzer des riesigen Gutes mit dem Namen Le Tolfe. Um es kurz zu machen: Ich fuhr nach Siena, stellte mich vor, wurde für würdig befunden und durfte die Villa mieten. Und damit begann MEIN SIENA, das nun ins zwölfte Jahr geht. Und weil der Name „Chorakademie Siena“ schon belegt ist, nennen wir unser geliebtes toskanisches Kind nun Choratelier Siena.