1979 habe ich in Stuttgart bei Helmuth Rillings Bachakademie den französischen Trompeter Guy Touvron kennen- und schätzen gelernt – er war dann über 15 Jahre „mein“ Trompeter bei Bachs Hoher Messe, beim Weihnachtsoratorium, Händels Messias und bei unzähligen Konzerten mit Bachs 2. Brandenburgischen Konzert.
Er wohnte, wenn er nicht in Paris unterrichtete, in einer Mühle im Burgund, unweit des kleinen Dörfchens Anzy-le-Duc, welches Kunstliebhabern wegen seiner romanischen Kirche bekannt ist. Befreundet war Guy mit einem musikbegeisterten Versicherungsmanager – Joseph Lamy – der das Pfarrhaus von Anzy-le-Duc bewohnte und uns 1988 zu einer Aufführung von Bachs Hoher Messe in „seine“ Kirche einlud. Mit der bewährten Auswahl aus den Kabitz-Chören, dem Kammerorchester „La Follia“ aus Mulhouse, natürlich mit Guy an der Trompete und tollen Solisten brachten wir eine wunderbare Aufführung zustande. Die kleine Kirche war überfüllt und wir alle unglaublich glücklich.
Anzy war für uns alle ein Traum, nicht zuletzt wegen des Lamms vom Spieß und der Champagner-Pyramide. Joseph und ich verstanden uns wunderbar, und irgendwann offenbarte er mir seinen größten Traum: eine Mozart-Oper im Innenhof, umschlossen von Kirche, Scheune und Pfarrhaus.
Schon ein Jahr später war es soweit: Cosi fan tutte wurde in Würzburg geprobt und in Anzy auf die handgezimmerte Bühne gestellt, die Münchner Bachsolisten spielten, ich dirigierte und führte Regie, und zwei große Opernstars hatten hier ihre Premiere: Caroline Stein als Despina und Rainer Trost als Ferrando.
Ein Riesenerfolg – tausend Zuhörer mitten im tiefsten Burgund. Joseph war beflügelt, und so folgten abwechselnd Jahre mit Oper: Rossinis „Barbier von Sevilla“, Mozarts „Don Giovanni“, dann sein „Figaro“, und Jahre mit Konzerte: Händels Messias, Mozarts C-Moll-Messe und seine Krönungsmesse mit den Vesperae solennes.
Unsere Frankreich-Unternehmungen zogen weite Kreise: Die rührige Bach-Gesellschaft in Mulhouse lud uns nun auch zu alljährlich Konzerten ein und produzierte schließlich sogar Mozarts „Idomeneo“ , es bahnten sich Co-Produktionen mit dem Opernhaus „La Filature“ in Mulhouse, der Oper in Vichy und der in Ajaccio auf Korsika an, wir konzertierten in Vittel und in Hyeres, und wären sogar mit Rossinis „Barbier“ im Amphitheater von Vaison-la-Romaine gefeiert worden, hätte nicht ein Jahrhundert-Unwetter nach 40 Takten der Ouvertüre buchstäblich unsere ganze Produktion inklusive Kostüme hinweggeschwemmt. Zum Glück hat sich die Versicherung sehr kulant gezeigt……..
Bei der Nennung des Namens Anzy-le-Duc bekommen noch heute, fast dreissig Jahre danach, alle Ehemaligen feuchte Augen; zu schön waren diese heißen Sommertage, voll mit Musik, herrlichem Essen und wunderbaren Menschen.